Wagyu Rinder im Bayerischen Wald

Mehr analog vielleicht …

Im Donautal wabert noch der Nebel, während in den Hochlagen bereits die Sonne über weitläufige Wiesen und Weiden strahlt. Hier besuchen wir einen begnadeten Koch und Landwirt, der für seine Rinderzucht und nachhaltige Verarbeitung seiner Produkte bekannt ist. Wir sind ein bisschen zu früh, deshalb sehen wir noch, wie er bestens gelaunt auf seinem kleinen Traktor unterwegs ist. Auch wenn diese Rinder hier ganzjährig in ihrer Herde draußen sind, muss er täglich nach dem Rechten sehen, für genug Wasser sorgen oder sich um den Strom in den Zäunen kümmern. „Aktives Weidemanagement“ nennt man das. Was bedeutet, dass die Herde immer mal wieder ein Stückchen weiterzieht. Das verlangt genug Gelände und Aufmerksamkeit in Sachen Boden und Pflanzen. Viel Arbeit mit der Heuernte für den Winter ist eh klar.

Container

Ein Gespräch über nachhaltige Rinderzucht

Spezialistentum in Sachen Wagyu-Rinder. 

Unser heutiger Gastgeber ist für Auftritte in Kochshows, Artikel in renommierten Zeitschriften, eine ganze Reihe eigener Bücher, ein ausgeklügeltes Sortiment an Profi-Grillgerätschaften und neuerdings, auch angeregt durch die „nicht-systemrelevante“ Coronaschließung der Gastronomie, Schraubgläser, die vom Rehragout bis zum Boeuf Bourguignon Selbstgekochtes beinhalten, bekannt. Eine logische Entwicklung, stellen wir fest, als wir mit ihm ein Gespräch über die „Nachhaltigkeit“ anfangen. Der ein oder andere Vegetarier oder Veganer runzelt hier vielleicht die Stirn und argumentiert, da dreht sich doch alles um Fleisch! Pupsende Kühe und Methan! Das ist richtig. Dahinter aber steht hier ein überzeugter Waidler, der in Sachen Kochen die Welt bereist und viel gelernt hat. Und jetzt – „stoisch“ könnte man sagen – den Hof seiner Großeltern in die nächste Generation führt. 
Da wird’s spannend. Denn einig waren wir uns gleich: Die Generation unserer Großeltern hat über Nachhaltigkeit nicht viel gesprochen, sie aber täglich gelebt. Vorratshaltung – eine Selbstverständlichkeit. Fleisch hatte hohen Stellenwert, das gab es keineswegs täglich. Gefüttert wurde mit eigenem Heu, die Schweine mit leckeren Küchenresten. Selbst denken war überlebenswichtig. Heute bestellen wir „Prepperbücher“, wollen wieder lernen, wie Lebensmittel haltbar gemacht werden, weil die Angst vor dem großen Stromausfall umgeht. Und noch mehr schöne neue Begriffe: Zero Waste ... 
Landwirte im Bayerischen Wald betreiben das längst, indem sie ihre Tiere komplett verarbeiten. Da entsteht gar kein „Waste“. Aus dem Leder der Tiere werden hier zum Beispiel neuerdings Kochschürzen genäht, die vermutlich erst nach 200 Jahren täglichem Einsatz ihre schönste Patina erreichen.

„Tierwohl“ – auch so ein neues Wort. Ein wenig eng ums Herz wird es unserem Gastgeber sichtbar, als er vor dem Dry Ager steht, in dem gerade die Reste seines liebsten Bullen Benno reifen. Benno durfte 14 Jahre alt werden, führte ein stiergerecht wildes Leben und hat unzählige Nachkommen. Auch als Ochse erlebt man hier mindestens fünf glückliche Weidesommer. Geschlachtet wird vor Ort mit fachmännischem Schuss. Stresslos. Der Respekt dem Tier gegenüber ist auch spürbar, als wir im Stall die Kälbchen besuchen. Die dürfen da rein und raus, haben sogar die Freiheit, sich von der Mama abzusondern, um sich mit den Kälbchenkollegen ins dicke Stroh zu kuscheln. Was sichtbar genutzt wird.

Nachhaltigkeit. Das hat wirklich viel mit Respekt zu tun.

Gegenüber dem Tier. Und mit viel bäuerlichem Wissen um den hohen Wert von Lebensmitteln. Darum geht’s im Bayerischen Wald. Diese Haltung setzt sich auch in der „Kocherei“ fort. Kulinarik sollte eigentlich ein Schulfach sein wie Rechnen und Schreiben, oder auch die Musik. Weil es mit Wertschätzung zu tun hat. Und damit auch Wertschätzung den Menschen gegenüber. Da taucht zum Beispiel ein Thema wie Rassismus gar nicht auf. Weil’s um Dinge geht, die uns alle ganz essenziell miteinander verbinden. 
Sehr philosophisch! Da verbindet und benennt ein bodenständiger kluger Koch und Landwirt aus dem Bayerischen Wald auf schönste Weise vieles, was neuerdings so kompliziert überall herumwabert. Und je mehr geredet wird, umso unlösbarer erscheinen die Probleme. Ein „analoger“ Mensch sei er und beklagt sich ordentlich, dass das neue Album seiner Lieblingsband so schwer noch als einfache CD zu bekommen sei. Die will er kaufen, auspacken und sich in aller Ruhe hinsetzen zum Anhören. Mal schnell downloaden und nebenbei hören kommt für ihn nicht in Frage. Altmodisch, möchte man meinen, aber eigentlich wahnsinnig modern. Raus aus dem Hamsterrad, genießen und den Dingen damit Respekt zollen. Nachhaltig hören sozusagen.

Damit die Ochsen hier mindestens fünf glückliche Sommer verbringen können, wird hier nicht einfach à la carte, en masse oder gar täglich gekocht. Stattdessen lieber zusammen. Kochen und Essen ist hier ein gemeinschaftliches Ereignis, das gebucht werden will. Wer will, kann Freitag nachmittags analog und ohne Anmeldung den Laden besuchen.

Das Gespräch war eine Bereicherung. Viel gelernt über die Landwirtschaft im Bayerischen Wald, über die Kunst, ein altes Bauernhaus mit neuen Ideen zu verbinden. Veränderung kann nachhaltig sein – und umgekehrt. Unsere Reise durch den „Woid“ geht weiter, wir haben einen genaueren Blick gewonnen, das Zuhören hat bereichert. Was hier oft so wild daherkommt, hat ein reiches Fundament an bäuerlichem Wissen, ohne das wir alle uns nicht gut ernähren könnten.