Einfach wunderschön: Der alte Apfelbaum mit seinen schmackhaften Früchten

Geballtes Wissen eines Streuobstexperten im Lallinger Winkel bei Deggendorf

In seinem Satz steckt eigentlich das gesamte Wissen in Sachen Nachhaltigkeit. Er bringt auf den Punkt, wie unser Umgang mit der Natur sein sollte. Und unsere Ernte dann sein könnte. Aber erstmal hinein in den Lallinger Winkel. Im Vorwald bei Deggendorf gelegen, zeichnet sich diese Gegend schon immer aus durch ihr mildes Klima im Talkessel. Um 780 etablierten hier die Benediktinermönche von Niederalteich den Obstanbau. Garantiert orientierten sich die Mönche am Paradies: Eine blühende Landschaft und die Menschen im Einklang damit. Ein Stückerl dieses Paradieses wurde hier bis heute auf den Streuobstwiesen bewahrt. In einer Zeit, in der gerade alle über die Nachhaltigkeit reden, ein ziemlich aktuelles Thema. 

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Was ist eigentlich eine Streuobstwiese? 

Per Definition braucht es dafür „hochstämmige Baumformen“. Die „verstreut“ in der Landschaft stehen. Daher der Name. Ihre Bewirtschaftung ist „extensiv“. Das ist wichtig!  
Die gegenteilige „intensive“ Bewirtschaftung ist darauf ausgelegt, möglichst viel Ertrag auf möglichst geringer Fläche zu erwirtschaften. Die Pflanzen werden gezielt beschnitten, klein („niedrigstämmig“) und eng gehalten – deshalb ist auch einiges an chemischer Behandlung zur Schädlingsbekämpfung von Nöten. Das Landschaftsbild spielt bei dieser Bewirtschaftungsform keine Rolle. 

Die Streuobstwiesen hingegen sind von jeher prägend im Bild der mitteleuropäischen Kulturlandschaft. Allein im Frühling hier diese blühenden, sanft zum Wald ansteigenden Wiesen entlang der Donau zu erleben, ist ein Feuerwerk für Augen und Nasen.  
Unter den Bäumen wachsen Wiesen für Heugewinnung, Beweidung, Artenvielfalt. Die Lebensdauer einiger der „verstreuten“ Apfelbäume beträgt bis zu 120 Jahre. So ein Baum begleitet und versorgt uns also ein ganzes Leben und sogar noch unsere Kinder. Eine Lallinger Streuobstbäuerin lässt die Bäume auch nach ihrem Absterben gern als Totholz auf den Wiesen. Sie sind ein Zuhause für Pilze und Insekten, die nachfolgende Bäume und die ganze Wiese weiter erhalten.  
Streuobstwiesen beherbergen über 5.000 Tier-, Pflanzen- und Pilzarten sowie über 6.000 Obstsorten!  
Viele alte Sorten wären ohne den Einsatz, die Überzeugung und das Wissen der Streuobstbäuerinnen und -bauern nicht mehr vorhanden. In Sachen Biodiversität also spektakulär!  
In den dicken Borken der alten Bäume finden Vögel Nahrung, Baumhöhlen werden zu Bruthöhlen. Fledermäuse, Wendehälse, Steinkäuze und Grünspechte lieben diese Kulturlandschaft. Fallobst ist lebenswichtig für zahllose Falter und Schmetterlinge. Die wiederum als Bestäuber eine wichtige Rolle spielen. Also eigentlich sind hier alle glücklich. Und werden satt. Auch der Mensch, der in diesem paradiesischen Garten erntet.

„De wo vui schnein, de ham weng Obst
"Wer viel/stark zuschneidet, der hat wenig Obst"

 Eine besondere Spezialität dieser Vorwaldwiesen ist der Most. 

Ein gesundes Getränk mit langer Tradition, mit oder auch ohne Alkohol. Seit der Keltenzeit wird es hier an der Donau bis hinunter ins niederösterreichische Mostviertel gekeltert. Besonders geeignet sind dafür gerbstoffreiche Birnen. Dazugegeben werden Most-, Wirtschafts- oder Tafeläpfel. Teils auch Quitten. Selten die Früchte des Speierlingsbaums, ein mittlerweile fast unbekannt gewordener Wildobstbaum. Gelegentlich auch Kirschen. Hier finden sich viele Experten für alte Sorten und ihre Verarbeitung. Eine 86-jährige Einödbäuerin erzählt, sie hat die Kunst des Veredelns von Obstbäumen schon im Alter von 8 Jahren gelernt. Legendär.  
Obstkorb des Bayerischen Waldes
So wird der Lallinger Winkel auch genannt

Weiter im Lallinger Winkel: Der ist auch ziemlich jung!

 Denn hier im Paradies wird jährlich die „Deutsche Mostkönigin“ gekrönt. Eine Tradition seit 1994. Was Folgen hat. Zum Beispiel den „Königinnengarten“, wo die Bäume der Most-Majestäten stehen: Herzogin Olga, Klapperapfel, Große Prinzessin, … Ein kleiner Spaziergang führt hier über den Garten und durch kleine Ortschaften.  
Aktuell amtiert bereits die 20. Repräsentantin paradiesischer Früchte. Gekrönt auf dem jährlichen Lallinger Mostfest Ende Mai.  
Im Übrigen zählt der Lallinger Winkel - der „Obstkorb des Bayerischen Waldes“, wie er auch genannt wird – zu den „100 Genussorten Bayerns“. Da geht es dann noch weit hinaus über den Most, mit Apfelmarkt, Hochprozentigem und sogar noch Feng Shui am See des Kurparks. 

Nach unserer Genusstour dann doch nochmal zurück zu unserem Anfangsgedanken:  
Die Streuobstwiese verbindet mit dem Nationalpark einiges – und das ist wohl genau das, was den Bayerischen Wald und seine Bewohner ausmacht!  
Eine tiefe Verbundenheit mit der Natur, ein genaues Beobachten und viel Vertrauen, dass die Natur schon alles richtig macht. Und wir dann ein Stück dieses Paradieses sein können. Nicht so viel zuschneiden und vielleicht genau deshalb eine gute Ernte bekommen.  

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